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Transatlantische Beziehungen : "Die Amerikaner brauchen keine Ratschläge von außen"

Michael Georg Link (FDP), der Transatlantik-Koordinator der Regierung, erklärt, was ein Wahlsieg von Kamala Harris oder Donald Trump für Europa bedeuten würde.

29.10.2024
True 2024-10-31T17:20:29.3600Z
5 Min

Herr Link, US-Präsident Joe Biden ist ein Politiker, der in seiner ganzen Laufbahn eine besondere Verbundenheit mit Europa gezeigt hat. Das kann man von Vizepräsidentin Kamala Harris aufgrund ihrer Biografie und ihrer bisherigen Tätigkeit nicht gleichermaßen behaupten. Könnte sich also das, was schon unter Barack Obama als "Hinwendung zu Asien" begonnen hat, unter einer Präsidentin Harris verstärken?

Michael Georg Link: Kamala Harris hat in der Tat eine andere Prägung. Eine "Hinwendung zu Asien", in dem Sinne, dass man das Vorgehen Chinas stärker in den Blick nimmt und analysiert, welche Herausforderungen sich dadurch ergeben, das brauchen auch wir. Denn das Aufstreben Chinas ist ein globales Phänomen, kein pazifisches. China ist im Pazifik aktiv, aber es ist auch in Europa aktiv. Nehmen Sie nur Chinas Aktivitäten in Serbien oder die Unterstützung für Russland im Ukraine-Krieg. Also: Ja, es verändert sich etwas an der Persönlichkeit im Weißen Haus, vielleicht auch an der Schwerpunktsetzung, aber unabhängig davon müssen auch wir Europäer mehr nach Asien schauen.

Foto: picture alliance/dpa/Hannes P. Albert

Die deutsch-amerikanischen Beziehungen dürfen nicht davon abhängen, ob ein Demokrat oder ein Republikaner regiert, sagt der Transatlantik-Koordinator der Regierung, Michael Georg Link (FDP).

Donald Trump sagt, wenn er gewählt würde, würde er den Ukraine-Krieg innerhalb von Tagen beenden. Er sagt nicht genau, wie er das anstellen will. Aber nach Ihrer Einschätzung, was ist da zu erwarten?

Michael Georg Link: Das ist eine wichtige Frage, denn er macht regelmäßig Andeutungen dazu. Wenn man genauer hinschaut, ist das immer sein Prinzip: Andeutungen, Drohungen, Einschüchterungen, sprunghaftes Verhalten, unerwartete Deals. Und weil wir nicht exakt sagen können, wie er sich genau verhält, ist es umso wichtiger, dass wir uns methodisch vorbereiten. Das heißt: engste Abstimmung mit unseren Verbündeten im Rahmen der Nato, im Rahmen der EU, und uns nicht auseinanderdividieren lassen. Würde er sich tatsächlich mit Putin zusammensetzen und unter vier Augen die Zukunft der Ukraine aushandeln, wäre das für uns nicht akzeptabel. Denn keiner sollte über die Ukraine und Europa verhandeln, ohne dass die Ukraine und Europa am Tisch sitzen.

Sollte ein gewählter Präsident Donald Trump tatsächlich der Ukraine die Unterstützung entziehen, wäre Europa auch nur halbwegs in der Lage, in die Bresche zu springen? 

Michael Georg Link: Aktuell ein klares Nein. Ich glaube aber auch nicht, dass Trump über Nacht die Unterstützung beenden wird oder aus der Nato austritt. Zunächst könnte er versuchen, den Preis hochzutreiben und in der Nato Uneinigkeit zu schüren. Das Engagement der USA für die Ukraine ist unverzichtbar, und deshalb werben wir sehr stark dafür, dass auch wir im Sinne des sogenannten "burden sharing" noch mehr tun müssen, damit die USA an Bord bleiben. Denn gewinnt Russland in der Ukraine, dann gewinnt letztendlich auch China, das genau beobachtet, wie die USA und ihre Verbündeten agieren. Das sollte auch Kritiker in den USA davon überzeugen, dass es sinnvoll und richtig ist, sich an der Seite der Ukraine zu engagieren.


„Die USA sind und bleiben unser wichtigster politischer, militärischer, wirtschaftlicher und wissenschaftlicher Verbündeter.“
Michael Georg Link (FDP)

Gleichzeitig mit der Präsidentenwahl werden auch das Abgeordnetenhaus und ein Drittel des Senats neu gewählt. Die US-Verfassung sieht den Kongress als Gegengewicht zum Präsidenten, und diese Rolle hat er bisher auch gespielt, selbst bei einer Mehrheit der Präsidentenpartei in Senat und Abgeordnetenhaus. Nun hört man aber, dass bei der republikanischen Kandidatenaufstellung viele unabhängige Köpfe durch Trump-Anhänger ersetzt worden seien. Entspricht das auch Ihrer Beobachtung und wenn ja, was bedeutet das?

Michael Georg Link: Nach meiner Beobachtung und auch der Analyse politischer Beobachter unterschiedlicher Couleur konnten sich in der Tat an der republikanischen Basis mit ganz wenigen Ausnahmen nur noch solche Kandidaten durchsetzen, die von Trump unterstützt werden und meist auch dem MAGA-Lager angehören - Make Amerika Great Again. Unabhängig vom Ausgang der Präsidentschaftswahl werden im Repräsentantenhaus und im Senat mehr Abgeordnete aus diesem Flügel der Partei kommen. Inwieweit sich diese Entwicklung in der Zukunft fortsetzt, ist offen. Sollte Trump die Wahl verlieren, könnten wir in der Republikanischen Partei sehr schnell wieder unterschiedliche Strömungen sehen. Aber momentan gibt Trump den Ton an.

Müssen Sie als deutscher Außenpolitiker dann befürchten, dass es nach der Wahl schwerer wird, bei Senatoren und Abgeordneten offene Ohren für Ihre Anliegen zu finden?

Michael Georg Link: Wir haben die letzten Jahre intensiv genutzt, um unser Kontaktnetzwerk in den USA weiter auszubauen und gerade auch mit der republikanischen Seite zu arbeiten. Im Ton und Inhalt gibt es natürlich mitunter große Unterschiede zwischen Republikanern und Demokraten. Aber die deutsch-amerikanischen Beziehungen dürfen nicht davon abhängen, ob ein Demokrat oder ein Republikaner regiert. Und es sollte auch bei uns nicht davon abhängig sein, wer die Regierung stellt. Die USA sind und bleiben unser wichtigster politischer, militärischer, wirtschaftlicher und wissenschaftlicher Verbündeter.

Foto: picture-alliance/dpa
Michael Georg Link
ist 2017 Mitglied des Deutschen Bundestages, dem er zuvor bereits von 2005 bis 2013 angehörte. Seit 2022 ist der Liberale Koordinator für die transatlantische Zusammenarbeit im Auswärtigen Amt.
Foto: picture-alliance/dpa

In der zurückliegenden Amtszeit von Donald Trump haben Funktionsträger im Regierungsapparat oft mäßigend Einfluss genommen. Nun will Trump nach einem Wahlsieg eine hohe Zahl von Amtsträgern durch linientreue Gefolgsleute ersetzen. Was würde das für die Politik eines Präsidenten Trump bedeuten?

Michael Georg Link: Auch hier gilt, abzuwarten, was er tatsächlich tut. Trump könnte diesmal in der Tat ein Team zusammenstellen, das weniger aus Experten bestehen wird, sondern aus außerordentlich loyalen Gefolgsleuten. Das ist eine Herausforderung auch für die USA selbst. Sie brauchen für eine erfolgreiche Politik nicht die gehorsamsten, sondern die besten Leute.

Ist im Fall einer erneuten Wahl Trumps zu erwarten, was Sie für Deutschland gerade mit einer Grundgesetzänderung zu verhindern suchen, nämlich ein politischer Zugriff auf das Verfassungsgericht?

Michael Georg Link: In der ersten Amtszeit hat Trump außerordentlich konservative Persönlichkeiten ernannt, die auch teilweise schon die Rechtsprechung in ihrem Charakter verändert haben. Nicht nur im Supreme Court, sondern auch bei obersten Bundesrichtern, die zum Beispiel den Bundesgerichten in den einzelnen Bundesstaaten vorstehen. Die Amerikaner brauchen aber keine Ratschläge von außen. Sie haben in der Vergangenheit immer wieder gezeigt, über Jahrhunderte hinweg, dass sie es schaffen, politische Krisen zu überstehen und auch gestärkt daraus hervorzugehen. Deshalb sollten wir bei allen lauten Tönen, die wir in den nächsten Wochen aus den USA hören werden, nicht das System der "Checks and Balances" unterschätzen und die Selbstbehauptungskräfte sehen, die immanent im amerikanischen Verfassungswesen angelegt sind.

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