Piwik Webtracking Image

Foto: picture alliance/photothek.de/Florian Gaertner
Milliarden für Verteidigung und Infrastruktur: Für die Zweidrittelmehrheit waren 489 Ja-Stimmen erforderlich.

Finanzpaket beschlossen : Bundestag und Bundesrat stimmen für historischen Haushaltskompromiss

Nach dem Bundestag hat auch die Länderkammer den Weg für eine Lockerung der Schuldenbremse und ein Sondervermögen frei gemacht. Die erwartete Zitterpartie blieb aus.

21.03.2025
True 2025-03-21T14:39:57.3600Z
4 Min

“Whatever it takes” - mit diesem Satz hatte der wahrscheinliche nächste Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) vor nicht einmal drei Wochen eine bemerkenswerte Kehrtwende in der Haushaltspolitik der Bundesrepublik angekündigt. Die in den vergangenen Jahren gerade von der Union vehement verteidigte Schuldenbremse solle für Verteidigungsausgaben deutlich gelockert werden, ein Sondervermögen 500 Milliarden Euro für Investitionen in die Infrastruktur mobilisieren. 

Finanzpaket nimmt parlamentarische Hürden

Aus der Ankündigung ist inzwischen eine vom Bundestag und Bundesrat beschlossene Änderung der Finanzverfassung im Grundgesetz geworden. Der Gesetzentwurf von SPD und CDU/CSU erhielt bei beiden Abstimmungen die notwendige Zweidrittelmehrheit. Beobachter hatten erwartet, dass die Grundgesetzänderung im Bundestag zu einer Zitterpartie werden könnte. Doch mit 512 Ja-Stimmen übertrafen Union, SPD und Grüne das notwendige Quorum von 489 Stimmen relativ deutlich. In den Fraktionen gab es jeweils nur eine Gegenstimme, einige Abgeordnete nahmen nicht an der Abstimmung teil. 

Am Freitag stimmten dann auch die Vertreterinnen und Vertreter der Länder zu. Im Bundesrat, in dem die Grundgesetzänderungen einer Zweidrittelmehrheit von 46 der insgesamt 69 Länderstimmen bedurften, stimmten von den 16 Bundesländern nur die vier mit Regierungsbeteiligungen der FDP (Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt) beziehungsweise des BSW (Brandenburg und Thüringen) nicht zu. Die in Bayern mit der CSU koalierenden Freien Wähler hatten schon zum Wochenbeginn ihren Widerstand gegen eine Zustimmung aufgegeben; auch das rot-rot-grün regierte Bremen sowie die SPD-Linken-Koalition in Mecklenburg-Vorpommern kündigten bereits vor der Sitzung an, zuzustimmen. Damit billigte der Bundesrat die Schuldenpakete am Ende mit 53 Ja-Stimmen – sieben mehr als zur Zweidrittelmehrheit erforderlich.

Klagen vor dem Bundesverfassungsgericht blieben erfolglos

Mehr zum Thema

Mehr zum Thema Kann sich Deutschland das Finanzpaket leisten?
Gastkommentare: Kann sich Deutschland das Finanzpaket leisten?

Whatever it takes - das galt nicht nur für die Dimension der geplanten Verschuldung - im Raum steht die Summe von einer Billion Euro -, sondern auch für das Verfahren. Union und SPD ließen Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) die Abgeordneten des 20. Deutschen Bundestages zu Sondersitzungen zusammentrommeln, statt die Konstituierung des neu gewählten 21. Bundestages abzuwarten. Die Parteien argumentierten mit der Dringlichkeit angesichts der Weltlage. Zudem: Im 20. Bundestag reichte Union und SPD die Unterstützung der Grünen, im nächsten Bundestag wäre es ohne AfD oder Die Linke nicht gegangen.

Die Reformgegner AfD, FDP, Linke und BSW wollten sich damit nicht abfinden und riefen das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe an, um die Sitzungen zu verhindern. Letztlich erfolglos, Karlsruhe lehnte die Eilanträge ab.

Merz und Klingbeil danken Grünen für Unterstützung

Auch politisch konnten Union und SPD einen Erfolg verbuchen. Nachdem die Grünen in der ersten Lesung am Donnerstag vergangener Woche noch scharfe Kritik an Inhalt und Verfahren geübt hatten, verkündeten die Fraktionsspitzen tags darauf eine Einigung. Noch am Wochenende, am Sonntag, passierten die Änderungen nach viereinhalbstündiger Sitzung den Haushaltsausschuss.

Die Grünen konnten einige ihrer zentralen Kritikpunkte durchsetzen. Die sogenannte "limitierte Bereichsausnahme" gilt nun nicht nur für Verteidigungsausgaben, sondern beispielsweise auch für andere sicherheitspolitische Ausgaben. Das Sondervermögen dient nun auch der "Erreichung der Klimaneutralität bis 2045". Zudem wird klargestellt, dass es sich um zusätzliche Investitionen handeln muss.

Foto: DBT/Thomas Koehler/photothek

Nach langen Verhandlungen konnten sich Union und SPD doch noch die Zustimmung der Grünen-Abgeordneten zu den Grundgesetz-Änderungen sichern.

SPD-Fraktionsvorsitzender Lars Klingbeil und Unionsfraktionschef Merz bedankten sich in der Debatte für die Unterstützung der Grünen. In "historischen Zeiten" handele es sich um einen "historischen Kompromiss" zwischen SPD, Union und Grünen. Damit sei eine Blockade der "demokratischen Mitte" aufgelöst worden, sagte Klingbeil.

Doch die Grünen hatten noch ein Hühnchen zu rupfen. Die Co-Fraktionsvorsitzende Britta Haßelmann griff Merz und die Union scharf an und warf ihnen vor, noch vor Monaten notwendige Reformen blockiert und deren Befürworter diffamiert zu haben. "Es wird dadurch aber nicht falsch", begründete Haßelmann die Zustimmung der Grünen.

Merz rechtfertigt das Milliardenpaket für Infrastruktur und Verteidigung

Mehr zum Finanzpaket

Mehr zum Thema Wie die Schuldenbremse gelockert werden soll
Finanzpolitischer Kurswechsel: Wie die Schuldenbremse gelockert werden soll

Merz bemühte sich seinerseits, Kritik von anderer Seite abzuwehren. Mit der erweiterten Zweckbindung des Sondervermögens - "Erreichung der Klimaneutralität bis 2045" - werde keineswegs ein neues Staatsziel im Grundgesetz verankert, ohnehin sei der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen bereits seit Jahrzehnten Staatsziel. Merz rechtfertigte auch noch einmal die geplante Milliardenverschuldung, unter anderem sei ein "Paradigmenwechsel in der Verteidigungspolitik" notwendig. Zudem betonte er, dass gerade wegen der geplanten Neuverschuldung der Konsolidierungsdruck auf die öffentlichen Haushalte erheblich sein werde.

Nicht überzeugen konnte er FDP, AfD, Linke und BSW. AfD-Co-Fraktionschef Tino Chrupalla widersprach der sicherheitspolitischen Begründung. Man brauche "keine neuen Feindbilder" und auch keine "sogenannte Kriegsbereitschaft". Auch die Linke zeigte sich skeptisch. Sören Pellmann, Co-Sprecher der Gruppe, kritisierte, dass die "gigantische Aufrüstungsverschuldung die Probleme von morgen" schaffe.

Das BSW verabschiedete sich mit einer Protestaktion aus dem Bundestag

Ihren vorerst letzten Auftritt im Plenum hatten FDP und BSW, die dem neuen Bundestag nicht mehr angehören werden. Sahra Wagenknecht nutzte ihre Rede, um das Wahlergebnis - das BSW war knapp an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert - in Frage zu stellen und forderte den neuen Bundestag auf, "unverzüglich" den Weg für eine Neuauszählung frei zu machen. Im Anschluss an Wagenknechts Rede provozierten die Abgeordneten der Gruppe einen Ordnungsruf von Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau (Die Linke), weil sie Protestplakate hochhielten.

Staatstragender verabschiedete FDP-Fraktionschef Christian Dürr seine Partei aus dem Bundestag. Neben scharfer Kritik an der aus seiner Sicht "linken Fiskalpolitik" nutzte er seine Rede, um zu betonen, warum der politische Liberalismus im Parlament gebraucht werde. Dürr hatte in den Tagen zuvor angekündigt, den Vorsitz der bei der Wahl deutlich gescheiterten Partei anzustreben.

Mehr zur Konstituierung des neuen Bundestages

Der Plenarsaal wird umgebaut
Start der neuen Wahlperiode: So läuft die Konstituierung des Bundestages ab
Mit der Konstituierung tritt der neue Bundestag am 25. März erstmals zusammen. Die erste Sitzung ist ein besonderer Moment und folgt einem klaren Ablauf.
Startschuss fürs Parlament: 21. Deutscher Bundestag tritt am 25. März erstmals zusammen
Der Termin steht: Am 25. März kommen die Abgeordneten des 21. Bundestages zur konstituierenden Sitzung im Plenarsaal zusammen und die neue Wahlperiode beginnt.
Porträtbild der CDU-Abgeordneten Julia Klöckner
Zweithöchstes Staatsamt: Union nominiert Julia Klöckner für das Amt der Bundestagspräsidentin
Die Union hat die CDU-Abgeordnete Julia Klöckner als Bundestagspräsidentin nominiert. Gewählt werden soll in der ersten Sitzung des neuen Parlaments am 25. März.