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Foto: DBT/ Jörg F. Müller
Nach der Sommerpause starten die Abgeordneten in die letzten zwölf Monate der laufenden Legislaturperiode.

Offene Baustellen der Ampelkoalition : Das steht nach der Sommerpause im Bundestag an

Haushalt 2025, Krankenhausreform, Rentenpaket, Demokratieförderung - die Koalition hat nach der Sommerpause noch einige Baustellen und Streitpunkte abzuarbeiten.

14.08.2024
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7 Min

Noch ruht das parlamentarische Geschehen im Bundestag weitgehend. Nach den sitzungsfreien Sommerwochen starten die Abgeordneten Anfang September in das letzte Sitzungsjahr der laufenden Legislaturperiode. Neben dem Haushalt 2025 müssen noch ausstehende Ampel-Projekte zügig auf die Zielgerade gebracht werden. Das gilt auch für Vorhaben, die sich bereits im parlamentarischen Verfahren befinden. Ein Überblick.

Milliardenlücke im Haushalt 2025 muss geschlossen werden

Ende dieser Woche wird dem Bundestag der Haushaltsentwurf für 2025 zugeleitet. In welchem Zustand, ist aktuell fraglich. Das Kabinett hatte Mitte Juli 480,6 Milliarden Euro schweren Entwurf beschlossen - mit Prüfaufträgen. Diese Prüfungen sind nunmehr abgeschlossen, doch über das Ergebnis herrschet Uneinigkeit. Es geht um die Frage, wie eine Milliardenlücke geschlossen werden kann. Unter anderem sollen Zuschüsse an die Bahn anders gebucht werden, sodass sie nicht auf die Schuldenbremse angerechnet werden müssen. Auch ein Nachtragshaushalt für das laufende Jahr wird auf den Weg gebracht.

Parallel zum Haushaltsentwurf verabschiedete das Kabinett auch eine Wachstumsinitiative. Mit ihr will die Bundesregierung die lahmende Wirtschaft ankurbeln. Die Umsetzung dürfte sich aber noch etwas hinziehen, da es sich bisher nur um Eckpunkte handelt. 

Gesundheit: Lauterbach will noch 15 Gesetze in 2024 angehen

Dass die Gesundheitspolitik arbeitsintensiv ist und angesichts des Reformdrucks auch keine Pausen verträgt, ist Fachleuten völlig klar. Dass Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) aber just wenige Tage vor der Sommerpause im Gesundheitsausschuss nicht weniger als 15 große Gesetzentwürfe ankündigte, die noch 2024 angegangen werden sollen, hat dann aber doch manchen Beobachter überrascht.

Krankenhausreform: Warnungen vor Kliniksterben

Einige der Reformvorhaben sind keine Selbstläufer, sondern heftig umstritten, wie beispielsweise die große Krankenhausreform, die unlängst in erster Lesung beraten wurde. Ob die Länder, die über die Planungshoheit verfügen, bei dem Reformvorhaben noch auf einen Konsens mit dem Bund einschwenken, ist ungewiss.

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Die Krankenhäuser selbst sehen erheblichen Nachbesserungsbedarf und warnen vor einem unkontrollierten Kliniksterben statt einer planvollen Strukturreform. Das Vorhaben betrifft die Struktur der Krankenhauslandschaft mit der geforderten Spezialisierung der Häuser sowie die Finanzierung der Kliniken. Nach dem jetzt beratenen Gesetzentwurf sollen Krankenhäuser künftig zu 60 Prozent über Vorhaltepauschalen abrechnen statt wie bisher über Fallpauschalen (DRG).

Nach der ersten Lesung im Bundestag werden in den nächsten Wochen und Monaten die Gespräche auf Fachebene fortgesetzt. Nach der Sommerpause steht dann am 25. September eine öffentliche Experten-Anhörung zum Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) im Gesundheitsausschuss auf dem Programm.

Minister kündigt Pflegefinanzierungsgesetz an

Lauterbach kündigte im Gesundheitsausschuss für Mitte Juli weitere Gesetzentwürfe an, die zunächst im Kabinett behandelt werden, darunter das Gesetz zur Lebendorganspende, die Reform der Notfallversorgung und das Apothekenreformgesetz. Weitere Entwürfe, an denen aktuell gearbeitet wird, sind das Gesundes-Herz-Gesetz, das Pflegekompetenzgesetz und das Pflegeassistenzeinführungsgesetz.

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Der Minister kündigte außerdem ein Pflegefinanzierungsgesetz an, auf das Gesundheitspolitiker schon länger warten, da die Kosten in der Pflege immer weiter steigen und mit dem jetzigen Beitragssystem die Leistungen vermutlich nicht zu halten sind. Zuletzt wurde bekannt, dass die Eigenanteile der Pflegebedürftigen in Heimen weiter deutlich gestiegen sind. Auch die Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung (SPV) müssen regelmäßig angepasst werden. Experten erhoffen sich von der Bundesregierung schnell Klarheit darüber, wie die Pflege langfristig finanziell abgesichert werden kann.

Das Ausweiserecht soll verschärft werden

Die Innenpolitiker wird nach der Sommerpause auch ein von der Bundesregierung beschlossener Regelungsvorschlag für Verschärfungen im Ausweisungsrecht beschäftigen. Danach soll dem Bundesinnenministerium (BMI) zufolge aus der Billigung terroristischer Straftaten ein besonders schweres Ausweisungsinteresse folgen. Damit könnten "Ausländer, die terroristische Straftaten billigen, begrüßen oder verherrlichen, leichter ausgewiesen und im Anschluss abgeschoben werden".

Konkret soll für ein besonders schweres Ausweisungsinteresse nach Paragraf 54 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes laut BMI anders als bisher das Billigen beziehungsweise Werben für eine einzelne terroristische Straftat ausreichen. Damit könne schon ein einzelner Kommentar, der eine solche Straftat auf sozialen Medien verherrlicht und gutheißt, ein schwerwiegendes Ausweisungsinteresse begründen.

Bei der Vorlage handelt es sich um eine Formulierungshilfe für einen Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen zum Gesetzentwurf der Bundesregierung "zur Stärkung der frühen Öffentlichkeitsbeteiligung in Planungs- und Genehmigungsverfahren". Diese Vorlage, die inhaltlich nichts mit dem Ausweisungsrecht zu tun hat, hatte der Bundestag in seiner letzten Sitzung vor der Sommerpause bereits zur federführenden Beratung an den Ausschuss für Inneres und Heimat überwiesen. Der Regelungsvorschlag zum Ausweisungsrecht soll durch die Koalitionsfraktionen in dem laufenden Gesetzgebungsvorhaben eingebracht werden, um schneller beschlossen werden zu können.

Foto: DBT/ Thomas Trutschel/ photothek

Einige Gesetzentwürfe der Bundesregierung befinden sich schon sehr lang im parlamentarischen Verfahren, schaffen es aber nicht auf die Tagesordnung des Plenums zur zweiten und dritten Lesung.

Fertige Finanz-Gesetze warten auf Verabschiedung

Dass es in der Koalition nicht ganz reibungslos läuft, zeigt sich nicht zuletzt an Themen, die im Finanzausschuss behandelt werden. Dieser hat bereits für zwei Gesetzentwürfe grünes Licht gegeben, die allerdings bisher nicht den Weg auf die Tagesordnung des Plenums zur zweiten und dritten Lesung fanden. Inwiefern das in der zweiten Jahreshälfte ansteht, ist noch nicht absehbar. Da ist zum einen das Finanzmarktdigitalisierungsgesetz , das im Finanzausschuss bereits am 24. April auf Zustimmung stieß.  Das Gesetz dient vor allem dazu, EU-Recht national umzusetzen. Unter anderem wird ein neues Gesetz zur Aufsicht über Märkte für Kryptowerte (KryptomärkteAufsichtsgesetz - KMAG) geschaffen 

Darüber wird gestritten

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Ebenso erging es dem Finanzkriminalitätsbekämpfungsgesetz. Dieses hat der Finanzausschuss in der vorletzten Sitzungswoche vor der Sommerpause am 26. Juni gebilligt, jedoch fand es in der letzten Sitzungswoche ebenfalls nicht den Weg ins Plenum, sehr zum Ärger des Parlamentarischen Staatssekretärs Florian Toncar (FDP). Dieser sprach von einem "Rückschlag für die Bekämpfung der organisierten Kriminalität der Mafia, der verschiedenen Oligarchen oder Clans, die ihre kriminellen Erträge auch aus Deutschland heraus verschieben".

Die Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen machte indes deutlich, dass das Finanzkriminalitätsbekämpfungsgesetz nur Sinn ergebe, wenn zugleich das Vermögensverschleierungsbekämpungsgesetz komme. Für dieses gibt es allerdings bisher nur einen Referentenentwurf. Wann dieser als Gesetzentwurf das Kabinett passiert und in den Bundestag kommt, wird sich zeigen. Etwas weiter ist da bereits das Jahressteuergesetz 2024. Das wurde vom Kabinett bereits Anfang Juni beschlossen.

Das Rentenpaket kommt ins Parlament

Ende Mai hat das Bundeskabinett das Rentenpaket II beschlossen, ursprünglich sollte es bis zur Sommerpause durch den Bundestag verabschiedet werden. Mit dem Paket will die Bundesregierung erreichen, dass das Niveau der gesetzlichen Rente bis 2039 nicht unter 48 Prozent des Durchschnittslohns fällt und außerdem eine Aktienrente einführen. Das sind die Kernpunkte des Gesetzentwurfes der Bundesregierung für ein Rentenniveaustabilisierungs- und Generationenkapitalgesetz.

Die vor allem von der FDP forcierte Aktienrente soll ab Mitte der 2030er-Jahre durch die Erträge eines überwiegend aus Krediten finanzierten Fonds die gesetzliche Rentenversicherung entlasten. Geplant ist, dafür eine Stiftung mit dem Namen "Generationenkapital" einzurichten. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) würdigte das Rentenpaket als wichtigen Beitrag zur dauerhaften Stabilisierung des Rentenniveaus und Zeichen für Leistungsgerechtigkeit. Die FDP stellte schon klar, dass sie weitere Reformen möchte und mittelfristig auch von steigenden Rentenbeiträgen ausgeht. Voraussichtlich im September wird sich der Bundestag erstmals mit der Vorlage befassen. Geplant ist auch eine öffentliche Anhörung zu dem Gesetzentwurf.

Paus Kindergrundsicherung steht auf der Kippe

Eine Dauerbaustelle mit immer neuen Schwierigkeiten bleibt die Kindergrundsicherung aus dem Haus von Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne). Ginge es nach ihr, sollte die Kindergrundsicherung zum einen schon längst in trockenen Tüchern sein und zum anderen deutlich mehr Milliarden an Euro kosten als derzeit geplant. Schon im November 2023 führte der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend eine öffentliche Anhörung zu dem diesbezüglichen Gesetzentwurf der Bundesregierung durch, in der es jedoch deutliche Kritik an den Plänen gab. Unter anderem wurde vor einer Überforderung der Bundesagentur für Arbeit gewarnt und vor Bürokratiekosten für den geplanten Aufbau neuer Strukturen mit tausenden neuen Stellen. Seitdem steckt das Projekt im parlamentarischen Verfahren fest.

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Ziel der Kindergrundsicherung ist es, Millionen Kinder aus der Armut zu holen, indem die bisherigen Leistungen Kindergeld, Bürgergeld, Sozialhilfe, Kinderzuschlag und die Leistungen des Bildungs- und Teilhabepaketes zusammengeführt und im Wesentlichen von einem neu zu schaffenden "Familienservice" bei der Bundesagentur für Arbeit (in Anlehnung an die bisherigen Familienkassen) bearbeitet werden. Die Kindergrundsicherung soll aus drei Teilen bestehen: dem einkommensunabhängigen Kindergarantiebetrag für alle Kinder und Jugendlichen (entspricht dem Kindergeld), dem einkommensabhängigen und altersgestaffelten Kinderzusatzbetrag sowie den Leistungen für Bildung und Teilhabe.

Seitdem sich die Ampel-Parteien Anfang Juli über die Grundzüge des Bundeshaushalts 2025 geeinigt haben, scheint jedoch klar: So wie Ministerin Paus die Kindergrundsicherung geplant hat, als umfassende Sozialreform mit eigener Behördenstruktur, wird sie nicht kommen. Vielmehr haben sich die Parteien auf Leistungserhöhungen für Familien innerhalb der bisherigen Strukturen geeinigt.

Demokratiefördergesetz hängt fest

Auch das Demokratiefördergesetz befindet sich schon sehr lange im parlamentarischen Verfahren: Eine Anhörung des Familienausschusses zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Stärkung von Maßnahmen zur Demokratieförderung, Vielfaltgestaltung, Extremismusprävention und politischen Bildung (Demokratiefördergesetz - DFördG) fand bereits Ende März 2023 statt.

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Obwohl das Bundeskabinett den Gesetzentwurf bereits gebilligt hatte, rückte die FDP seitdem immer stärker von den Plänen ab. Die Zivilgesellschaft bestehe nicht nur aus denjenigen, die aus Programmen oder über dieses Gesetz Geld bekommen wollten, sondern aus vielen mehr, so die Kritik der Liberalen, die zudem verlangen, eine Extremismusklausel im Gesetz zu verankern, um die Förderung linksradikaler Gruppen auszuschließen. Die Diskussion innerhalb der Ampel ist also noch nicht beendet. Und auch außerhalb kommt unter anderem von Union und AfD heftige Kritik.

Justiz: Koalition will großen Wurf bei der Bürokratieentlastung

Ebenfalls noch im parlamentarischen Verfahren befindet sich der Entwurf der Bundesregierung für ein Bürokratieentlastungsgesetz IV. Mit zahlreichen Änderungen soll der sogenannte Erfüllungsaufwand insbesondere für die Wirtschaft reduziert werden - in einem Umfang von knapp einer Milliarde Euro pro Jahr.

Weitere Änderungen sind angekündigt, etwa zu digitalen Arbeitsverträgen. Eine zweiteilige Anhörung im federführenden Rechtsausschuss hat bereits stattgefunden. Wann der Entwurf dort verabschiedet wird, ist noch nicht bekannt.

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